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Vier bewegende Fluchtgeschichten

Waldmutter Sendenhorst – Kreis Warendorf

Vier Menschen mit Fluchtgeschichte, die stellvertretend für drei Generationen stehen: Spannender hätte der Abend kaum sein können, zu dem die Kreisverbände von Junger Union (JU) und Senioren-Union (SU) am Dienstag in die Gaststätte „Waldmutter“ in Sendenhorst eingeladen hatten. Von Dierk Hartleb „Die Flucht gestern und die Flucht heute kann man nicht ganz vergleichen“, stellte Heinrich Wichmann anfangs klar. Geboren 1934 in Mehlsack im Ermland, ergriffen er und seine Mutter – den Vater hatten die brauen Machthaber 1944 verhaftet und ins KZ gesperrt – vor der vorrückenden Roten Armee die Flucht, die auch über die zugefrorene Ostsee führte. Die Schreckensbilder, wie russische Bomber zunächst „brennende Tannenbäume“ abwarfen und danach den Flüchtlingstreck bombardierten, stiegen bei Wichmann, der SU-Ehrenvorsitzender im Kreis, wieder hoch und er bekannte: „Ich habe die Geschichte meiner Flucht in einem so großen Kreis noch nie erzählt.“ Als Zehnjähriger musste Wichmann mit ansehen, wie ganze Pferdegespanne in den eisigen Fluten der Ostsee versanken. Die Hoffnung, von Danzig aus noch ein Schiff Richtung Westen zu erreichen, erfüllte sich nicht. Mit dem aus dem KZ entlassenen Vater erlebte die Familie im April 1945 die schweren Bombenangriffe auf Danzig. Zweimal verschüttet, machte sich die Familie auf den Rückweg in die inzwischen von den Sowjets besetzte Heimat. „Die Flucht gestern und die Flucht heute kann man nicht ganz vergleichen“ Heinrich Wichmann Was folgte, waren entbehrungsreiche Wochen. Wie durch ein Wunder überlebte Wichmann, als er auf einen Blindgänger trat, bei dessen Explosion ein Teil seiner linken Hand abgerissen und das Bauchfell aufgerissen wurde. Allein die Geschichte, wie er doch noch das rettende Lazarett erreichte und die Wunde wieder heilte, würde Stoff für eine eigene Story hergeben. „Sie müssen es aufschreiben“, ermunterte Kamal Saydo seinen Nebenmann. Der gebürtige Syrer, der neben Wichmann saß, war 1963 in die damalige DDR geflüchtet, weil er als missliebiger Kurde galt und längere Zeit im Gefängnis saß. In der DDR studierte er an der Hochschule für Filmkunst in Potsdam und arbeitete später als Kameramann auch wieder im Nahen Osten und in Afrika. An der Hochschule lernte er seine spätere Ehefrau Angelika kennen, die nach dem Weggang aus der DDR als Cutterin für den WDR tätig war. „Auch ich habe eine Fluchtgeschichte“, erklärte sie. Über viele Auslandsstationen, darunter der Libanon, kam sie nach Westdeutschland, wo sie seit vielen Jahren in Warendorf heimisch geworden ist. „Jetzt haben wir die Tochter, die wir uns immer gewünscht haben.“ Angelika Saydo Mit den Worten „Jetzt haben wir die Tochter, die wir uns immer gewünscht haben“ stellte Angelika Saydo Nesrin Omar vor, die 2013 aus Syrien geflohen ist. Über die Umstände ihrer Flucht wollte die junge Syrerin, die in ihrem Heimatland ein Studium der Informatik absolviert hat, nichts Detaillliertes erzählen. Nur so viel: Sie ist von Aleppo nach Istanbul geflohen. Nach einem mehrmonatigen Aufenthalt in Istanbul habe ein Onkel sie nach Deutschland gebracht. In Warendorf hat es die junge Frau zu einiger Bekanntheit gebracht, wie Angelika Saydo erzählte. Nach ihrer Heirat mit Ingo Schneider wohnt Nesrin Omar in Osnabrück, wo sie eine Ausbildung als Sozialassistentin macht. In bewegenden Worten schilderte sie, wie sie gemeinsam mit ihrem Ehemann bislang vergeblich um die Anerkennung ihrer Zeugnisse kämpft. Die anschließende intensive Diskussion moderierte der JU-Kreisvorsitzende Michael Sendker, unterstützt von Karl-Heinz Greive als SU-Kreisvorsitzender.

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